Impulse zum Karfreitag | A
Feier von Leiden und Sterben unseres Erlösers
Feier von Leiden und Sterben unseres Erlösers
Mit diesem Abend beginnen wir die Feier der heiligen drei Tage, des sacrum triduum. In diesem Jahr treffen die Feiern mit dem jüdischen Paschsafest zusammen, damit sind wir auch mit unseren älteren Glaubensgeschwistern ganz nahe an den Ereignissen der letzten Tage Jesu.
Jesus feiert mit seinen Freunden das Abendmahl am Paschafest und wir feiern es mit ihm, nicht als historisches Schauspiel, sondern als lebendige Gegenwart. Er selbst ist in den Gestalten von Brot und Wein auch heute unter uns.
Es klingt so unwirklich und doch liegt über der Feierlichkeit der Schatten der Verzweiflung in der Nacht von Getsemani. So gehen wir in diese Nacht hinein, weil Jesus Christus uns in aller Verzweiflung nahe ist:
Warum, unser Gott, sind wir von dir so weit? So haben wir im Lied gefragt beim Blick in unsere Welt. In den letzten fünf Wochen der Fastenzeit haben wir uns auf Ostern vorbereitet; wir haben uns bemüht um die Bekehrung unseres Herzens und um tätige Nächstenliebe. Heute feiern wir mit der ganzen Kirche, um in die Feier der österlichen Geheimnisse unseres Herrn einzutreten.
Jesus Christus ist in seine Stadt Jerusalem eingezogen; dort wollte er Leiden und Tod auf sich nehmen, dort sollte er auch auferstehen. Mit Glauben und innerer Hingabe begehen wir das Gedächtnis seines Einzugs. Wir folgen dem Herrn auf seinem Leidensweg und nehmen teil an seinem Kreuz, damit wir auch Anteil erhalten an seiner Auferstehung und am ewigen Leben. So wollen wir die mitgebrachten Palmzweige, die an den Einzug damals in Jerusalem erinnern, segnen:
Die Erfahrung der Welt ist die Vergänglichkeit, spitz formuliert läuft alles Irdische dem Tod entgegen. Die Natur ist geprägt vom Werden und Ver-gehen. Der Mensch fürchtet den Tod, er möchte leben.
Wir hören heute vom Tod des Lazarus‘, des Bruders der beiden Schwestern Marta und Maria. Marta weiß, von wem sie allein noch Heil und Leben erwarten kann: von Jesus Christus. Alles, worum er Gott bittet, wird Gott ihm geben. In der Auferweckung des Lazarus zeigt Jesus, dass alle irdische Grenze in Gott überwunden ist.
Es gibt aber nicht nur den leiblichen Tod, sondern auch den Tod der Seele in der Sünde, in der Absonderung von Gott, der Leben schenkt. Diesen Tod sollen wir noch mehr fürchten als den Tod des Leibes, sagt Christus einmal (Mt 10,28). Auch in unserer seelischen Todesnot dürfen wir zu Christus rufen, der uns durch sein Leiden und Sterben erlöst hat.
Laetare Jerusalem. – Freue Dich, Jerusalem. Mitten in der Fastenzeit hellt sich die Stimmung auf, wir spüren die ersten Zeichen jener Freiheit, die uns der bewusste Verzicht schenkt. Freude soll der Begleiter der österlichen Bußzeit sein, deshalb ist auch das Violett dieser Zeit heute mit dem zarten Rosa aufgehellt. Wie der Blindgeborene seine Umwelt plötzlich völlig neu sehend wahrnimmt, so sind auch wir eingeladen unsere Welt im Lichte Gottes und seiner liebenden Zuwendung zu uns zu sehen.
Am Anfang von Goethes Faust versucht Dr. Faust sich in der Übersetzung des Prologs im Johannesevangelium. Als er das Wort Logos mit Tat übersetzen will, wird der ihm vorher zugelaufene Pudel unruhig und entpuppt sich schließlich als Mephisto, also der Versucher. Das also war des Pudels Kern, stellt er fest.
Und doch erkennt er noch nicht, wer ihm wirklich gegenübersteht. Es ist auch nicht einfach unter die Oberfläche der Dinge zu sehen. Oft werden wir abgelenkt, die Marketingfachleute wissen das und verpacken viele Dinge deshalb besonders verführerisch.
Es ist keine Erscheinung der Neuzeit, schon beim Auszug aus Ägypten ging es dem Volk Israel ganz ähnlich. Gott stillt den Durst der Menschen, er stillt ihn über alle Maßen. Der Psalmbeter des 81. Psalms erinnert sich an diese Zeit und preist Gott mit den Worten: Ich würde es nähren mit bestem Weizen und mit Honig aus dem Felsen sättigen. (Ps 81,17)
Der größte Fehler von modernen Gipfeltreffen liegt darin, dass die Teilnehmer meist mit dem Flugzeug und Autos zum Tagungshotel bequem anreisen. Es fehlt die Mühe des gemeinsamen Aufstiegs, das gegenseitige Unterstützen auf dem Weg zum Gipfel, das reichen der Hände um steile Engstellen zu überbrücken. Danach fehlt der reflektierende Abstieg, ja die Nachdenkphase wie ich es den anderen Menschen erkläre, was sich gera-de ereignet hat. Vielleicht sind deshalb moderne Abschlusspapiere oft so lang und doch vielfach nur Plattitüde.
Ein völlig anderes Gipfeltreffen erleben wir heute und die Teilnehmer werden tief ergriffen. Die Erfahrungen auf dem Gipfel des Berges Tabor prägen sie für den weiteren Weg, ja sie bereiten sie vor auf die österliche Erfahrung.
„Versuchungen soll man nachgeben – man weiß nicht, ob sie wiederkommen.“, spöttelte einst der Dichter Oscar Wilde. Sollte man also Versuchungen des Lebens einfach nachgeben? Im Evangelium klingt es ganz anders, Jesus widersteht den Versuchungen von Reichtum, Ehre und Macht. Widerspricht Oscar Wilde dem Evangelium oder weißt er pointiert auf den Kern hin? Die Angst etwas zu verpassen schwingt in der Wahrnehmung der Möglichkeiten der Welt mit. Da gibt es keine Versuchung mehr, sondern nur noch Gelegenheiten. Damit aber überfordert sich letztlich jeder Mensch und wird zum Getriebenen seiner selbst. Jesu Vorbild macht Mut, im Vertrauen auf Gott und seinen Beistand gegen die Versuchung aufzustehen, sich nicht unendlich wichtig oder mächtig zu gebärden, sondern dafür bereit zu werden Gott zu begegnen. Oft genug aber stoßen wir auch hier an die eigenen Grenzen, wächst uns die Welt über den Kopf und wir müssen das eigene Scheitern und Versa-gen einsehen.
Bilder von Schutt und Asche erreichen uns in diesen Tagen zu Hauf. Bilder von der Zerstörung durch den Krieg, als menschengemacht, oder auch durch das Erdbeben in dem sich die Kraft der Naturgewalten zeigen. In beiden sehen wir die Zerstörung, der wir uns ausgesetzt sehen, ja ein Bild der Vergänglichkeit. Was gerade noch prächtig dastand, ist kurze Zeit später ein Trümmerhaufen.
Sinn und Heiligkeit kommen nicht vom Äußerlichen, sondern aus dem Herzen des Menschen. So sind diese Tage auch eine Einladung an mich, die „eilige Dreifaltigkeit“ unserer Tage zu überwinden: Ich, Alles und So-fort.
Jetzt haben wir Zeit, vierzig Tage, um uns selbst und Gott wieder näher zu kommen, „zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“ (Joël 2,13a)