Ecce Deus | Lektionar II/B, 312: Jer 23,1–6 | Eph 2,13–18 | Mk 6,30–34
In seiner Vision vom Übermenschen lässt Friedrich Nietzsche seinen Zarathustra zum Volk sagen: „Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.“
Es klingt etwas verwirrend, die Gleichheit aller Menschen ist doch ein ehrbares Ziel, wer sollte da nicht dafür sein? Aber Gleichmacherei zerstört Strukturen und das Miteinander in der Gesellschaft. Die Vielfalt kann sich zeigen, wo Menschen das Miteinander gestalten und die Aufgaben unter einander aufteilen, jeder nach seinen Fähigkeiten dem gemeinsamen Ziel entgegen.
Die Perspektive Gottes für den Menschen ist der Hirt für das Volk, der die Menschen in ihrer Vielfalt ernst nimmt und so ein buntes und starkes Miteinander prägen will. Ich muss nicht alles Können und nicht alles alleine Schaffen, ja auch das Ausspannen und Erholen gehört zu den wichtigen Aufgaben des Menschen. Preisen wir Jesus Christus, als unseren Herrn, den Kyrios, für sein Erbarmen:
Kyrie
Herr, Jesus Christus,
du bist der gute Hirte: Kyrie eleison.
Du willst uns Ruhe verschaffen in der Hektik der Welt: Christe eleison.
Du bist die Kraftquelle der Glaubenden: Kyrie eleison.
Gloria | Tagesgebet | MB 225
Herr, unser Gott, sieh gnädig auf alle,
die du in deinen Dienst gerufen hast.
Mach uns stark im Glauben,
in der Hoffnung und in der Liebe,
damit wir immer wachsam sind
und auf dem Weg deiner Gebote bleiben.
Darum bitten wir durch Jesus Christus,
deinen Sohn, unseren Herrn und Erlöser,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. AMEN
Fürbitten
Der Mensch muss sich seine Würde nicht im Tätigsein erarbeiten, er bekommt sie von Gott geschenkt und darf sie auch in der Ruhe und Erholung entfalten. So bringen wir vertrauensvoll unsere Bitten zum Herrn:
- Für die Menschen, denen der Alltag zur Last wurde,
dass sie ausruhen und chillen können,
dass sie wieder sich selbst spüren und Zuversicht gewinnen.
Christus höre uns. | ALLE Christus, erhöre uns. - Für die Menschen in den Kriegsgebieten,
die nicht zur Ruhe kommen, weil Angst und Schrecken sie begleitet,
dass Friede und Versöhnung wachsen kann. - Für die Menschen, die im Beruf und Alltag gestresst sind,
dass sie wie die Apostel Ruhe finden und Kraft schöpfen. - Für die Kirche, dass sie mutig und hoffnungsfroh
die Frohe Botschaft in der Welt verkündet. - Für die Menschen unter uns, die müde und erschöpft sind,
dass sie bei dir Ruhe und Kraft finden für ihren Lebensweg. - Für unsere Verstorbenen,
dass sie in deinem Reich sein dürfen
und alle Trauernden, dass sie in österlicher Hoffnung leben.
Bei dir, Herr, finden wir Ruhe und Frieden. Dafür loben und preisen wir dich, jetzt und in alle Ewigkeit. AMEN.
Schlussgebet | MB
Barmherziger Gott, höre unser Gebet.
Du hast uns im Sakrament
das Brot des Himmels gegeben,
damit wir an Seele und Leib gesunden.
Gib, dass wir
die Gewohnheiten des alten Menschen ablegen
und als neue Menschen leben.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. AMEN.
Hinführung zur ersten Lesung | Jer 23,1–6
Wie kann man das Verhältnis Gottes
zu seinem Volk beschreiben?
Der Prophet Jeremia beschreibt
Gottes Sorge für die Menschen
mit dem Bild des guten Hirten:
gütig, vorausschauend und fürsorgend.
Ein Leitbild für alle in Kirche und Welt,
die andere führen und leiten sollen.
Das Prophetenwort gilt seit 2500 Jahren
bis in unseren Alltag.
Hinführung zur zweiten Lesung | Eph 2,13–18
Der Traum einer grenzenlosen Welt
ist nicht erst seit der Moderne im Menschen.
Im Glauben durften die ersten Christen
diese Erfahrung im Alltag machen.
Die paulinischen Worte an die Christen in Ephesus
gelten genauso für unsere Zeit.
Lesehinweis
Ephesus | kurzes betontes E am Anfang
Meditation
„Da sagte Jesus zu ihnen:
Kommt mit an einen einsamen Ort,
wo wir allein sind,
und ruht ein wenig aus!“ (Mk 6,31)
Auch mich lädt er ein
zu ihm zu kommen
und in seiner Gegenwart
in der Hektik Ruhe zu finden.
Nicht im Trott des Alltags,
in all den Herausforderungen
mich selbst verlieren
und nur zu funktionieren.
Leben will er schenken
aus der Ruhe und Stille
mir die Kraft und Freude schenken,
die mich zuversichtlich leben lässt.
Reinhard Röhrner
Meditation | Alternative
Jesus zeigt sich
als der gute Hirte,
der die Seinen im Blick hat,
fürsorgend und achtsam.
Gehorsam ist mehr als nur gehorchen,
es heißt aufmerksam sein und werden,
auf die Welt und sich selbst hören,
sich nicht auf und zerreiben
in den Möglichkeiten und Aufgaben.
Martyrium heißt Zeugenschaft.
Mit Hingabe von Gott
in der Welt ein Zeugnis geben,
das nicht in der Selbstaufgabe mündet,
sondern Geschmack
für die Unendlichkeit bei Gott weckt.
Askese ist mehr als Verzicht,
auch das eigene Sich-zurück-nehmen,
die Auszeit zum Da-sein,
das Spüren des Lebens
in jeder Faser von mir.
Weil er der gute Hirte ist,
weiß Gott darum
und begegnet Jesus seinen Freunden
achtsam und fürsorgend.
Reinhard Röhrner