KIRCHPLATZ | VOR DER ÖLBERGGRUPPE
VIGILKERZEN WERDEN ANGEZÜNDET UND VERTEILT
DIE GESCHICHTE VON GETSEMANI | BEGEGNUNG IN DER TODESANGST
Es war schon spät, als Jesus sagte:
„Lasst uns hinausgehen aus der Stadt an den Ölberg.“
So gingen sie durch die Gassen Jerusalems,
vorbei am Tempelberg durch die Davidsstadt.
Erst später merkten sie,
dass Judas einen anderen Weg eingeschlagen hatte.
So kamen sie ins Kidrontal und gingen hinüber in den Garten.
Uralte Ölbäume stehen dort. Jesus liebte diesen stillen Ort.
Er bat Petrus, Johannes und Jakobus:
„Kommt mit mir, wachet und betet
mit mir in dieser Nacht!“
Sie hatten Jesus noch nie so erlebt:
Jesus hatte Angst, Todesangst,
kalter Schweiß stand auf seiner Stirn.
Er ging ein paar Schritte von ihnen, kniete sich hin und betete.
Im Mondlicht sahen sie,
wie er am ganzen Körper zitterte.
Sie hörten ihn beten:
„Mein Vater, wenn es möglich ist,
gehe dieser Kelch des Leidens an mir vorüber;
doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“
Es war unheimlich.
Wie in der Agonie schien Jesus auf einem Felsen zu knien,
im Gebet und in sich versunken.
Die Angst übertrug sich auf die Jünger und lähmte sie.
Dann sind sie eingeschlafen.
Jesus kam zu ihnen und weckte sie. Er war enttäuscht.
Er bat sie noch einmal:
„Könnt ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?
Wacht und betet, damit ihr nicht versucht werdet.“
Dann ging er wieder abseits.
Sie versuchten wach zu bleiben.
Sie schauten zu Jesus hinüber.
Er betete:
„Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann,
ohne dass ich ihn trinke, geschehe dein Wille.“
Dann sind die Jünger wieder eingeschlafen.
Jesus weckte sie noch einmal,
aber sie haben nicht durchgehalten.
Sie haben ihn in dieser Nacht allein gelassen,
die Müdigkeit hat sie überwältigt.
Als Jesus wieder kam, wirkte er ruhig.
Das Gebet hatte ihm Kraft gegeben.
Er hatte keine Angst mehr.
Jesus hat eingewilligt in Gottes Weg.
Und er war gehorsam bis zum Tod,
bis zum Tod am Kreuz.
Er sagte zu ihnen:
Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus?
Siehe, die Stunde ist gekommen
und der Menschensohn wird in die Hände von Sündern ausgeliefert. Steht auf, wir wollen gehen!
Siehe, der mich ausliefert, ist da.
IMPULS
Jesus ringt in Agonie mit seiner Todesangst. Die tiefe, scheinbar unüber-windliche Angst befällt ihn im vertrauten Garten, in dem er so oft mit seinen Freunden war, in dem er in der Stille im Gebet sich ganz eng mit seinem himmlischen Vater verbunden wusste.
Angst bricht herein, sie befällt uns und wir müssen reagieren. Oft erleben wir sie im vertrauten Kreis, in gewohnter Umgebung. Was gerade noch Geborgenheit und Sicherheit bedeutete, wird plötzlich bedrohlich und angsteinflößend. In der Angst fällt es uns schwer klar und rational zu denken.
Vor achtzig Jahren, am 2. Februar 1945 wurde der Jesuitenpater Alfred Delp in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Im Juli 1944 wurde er festgenom-men und im Januar am Volksgerichtshof zum Tod verurteilt. Im Gefängnis erlebt er in diesem halben Jahr Ohnmacht und Angst. Er sieht sich einem Machtapparat ausgesetzt, der sein Handeln, ja sein Leben einschränkt. Er durchlebt die Angst wie Jesus in Getsemani. Seine Berichte, seine schrift-lich festgehaltenen Gedanken, die aus dem Gefängnis geschmuggelt wer-den, sind ein Zeugnis für sein Ringen, seine Agonie. Gleichzeitig ist ein Thema prägend für ihn, die menschliche Freiheit. Der Mann, der in Fesseln gesetzt ist, oft mit verschnürten Händen nur noch kritzeln kann, spricht von der Freiheit. Es ist sein Weg in der Angst, in der er steckt, einen Weg zu gehen.
Freiheit kann nur erleben, wer sich in der Liebe Gottes getragen und ge-borgen weiß, so betont es Alfred Delp. Noch in einem Brief an sein Paten-kind, das er nie sehen wird, schreibt er Tage vor seinem gewaltsamen Tod davon, obwohl er die Ahnung seiner nahen Hinrichtung schon spürt. Wie Jesus in Getsemani erlebt er, dass der Glaube auch in der entsetzlichen Grausamkeit und Gewalt, eine Hilfe ist und Kraft schenkt.
CHRISTUSRUFE
Lieben heißt:
alles tun, dass die Geliebten das Leben haben,
dass sie Zukunft haben.
Jesus zeigt den Seinen die Liebe im Mahl, im Abschiedsmahl,
im Garten überwindet er die Todesangst,
gemeinsam in der Angst aushalten, offenbart die Liebe:
Herr Jesus Christus,
du verschenkst dich in Liebe. Kyrie eleison
Du ringst mit der Todesangst. Kyrie eleison
Du wirst uns zur Quelle des Lebens. Kyrie eleison.
Tagesgebet
Gott, barmherzig und gut,
du hast deinen Sohn gesandt,
um deine Liebe zu bezeugen.
Erfülle uns mit der Kraft deines Geistes,
die uns stärkt, die Liebe zu leben.
Darum bitten wir durch ihn, Christus, unsern Herrn. AMEN.
LIEDRUF | BLEIBET HIER UND WACHET MIT MIR | GL 286
WEG IN DIE STADTPFARRKIRCHE
RECHTES SEITENSCHIFF
AUSSETZUNG DES ALLERHEILIGSTEN IN ALLER STILLE
Hochgelobt und gebenedeit…
Z: Hochgelobt und gebenedeit
sei das Allerheiligste Sakrament des Altares
A: von nun an bis in Ewigkeit. Amen
EINFÜHRUNG
Im Namen der Kolpingsfamilie begrüße ich Euch recht herzlich zu dieser Ölbergandacht und lade Euch ein zu einer Zeit des Gebets und der Betrachtung der letzten Stunden Jesu vor seinem Tod.
In dieser Gebetswache gehen wir mit Jesus in seine Nacht und in sein Dunkel. Wir versuchen uns einzufühlen in seine schwere Lage, in die er in dieser Nacht am Ölberg hineingerät. Es ist eine absolute menschliche Grenzerfahrung: ein radikales Zurückgeworfensein auf sich selbst, Todes-angst, Enttäuschung, verlassen von Gott und der Welt, verraten und verleugnet. In der Betrachtung des leidvollen Weges Jesu in dieser Ölbergnacht begegnen wir auch unserem eigenen Dunkel, unseren „schwierigen“ menschlichen Erfahrungen, die wir selber in unserem Leben machen. Wir können und sollen diese Erfahrungen nicht verdrängen und verleugnen. Vielmehr sind wir eingeladen, mit offenen Augen und wachen Herzen in dieses Dunkel zu schauen. Schließlich gilt es, diese Erfahrungen in unser Leben zu integrieren.
LESUNG 1 | DAS GEBET AM ÖLBERG: LK 22,39-46
Dann verließ Jesus die Stadt
und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg;
seine Jünger folgten ihm.
Als er dort war, sagte er zu ihnen:
Betet darum, dass ihr nicht in Versuchung geratet!
Dann entfernte er sich von ihnen
ungefähr einen Steinwurf weit,
kniete nieder und betete:
Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir!
Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.
Da erschien ihm ein Engel vom Himmel
und gab ihm neue Kraft.
Und er betete in seiner Angst noch inständiger
und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.
Nach dem Gebet stand er auf,
ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend;
denn sie waren vor Kummer erschöpft.
Da sagte er zu ihnen:
Wie könnt ihr schlafen?
Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.
STILLE
V: Wir halten jetzt 2-3 Minuten Stille und lassen die Ölbergszene auf uns wirken.
LIED | BLEIBET HIER UND WACHET MIT MIR – GL 286
BETRACHTUNG
Es gibt in diesem Bericht des Evangelisten Lukas etwas sehr Tröstliches: wir hören von einem Engel, der Jesus wieder neue Kraft gibt (Lk 22,43). Es gibt sie also, diese Kraft Gottes, die uns auch in absoluten Grenzerfahrungen unseres Lebens trägt und hält. Dort, wo wir gefragt sind, zu unseren Werten und Überzeugungen zu stehen und Haltung einzunehmen. Eine Kraft, die uns dabei hilft, unseren geraden Weg zu gehen und durchzuhalten – einen Weg der Gewaltfreiheit und der Versöhnung. Eine Kraft, die uns auch Verzweiflung Einsamkeit, das Gefühl von Gottferne aushalten und schließlich auch überwinden lässt.
LESUNG 2 | DIE GEFANGENNAHME JESU | LK 22, 47-54
Noch während er redete,
siehe, da kam eine Schar Männer;
und der Judas hieß, einer der Zwölf, ging ihnen voran.
Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.
Jesus aber sagte zu ihm:
Judas, mit einem Kuss lieferst du den Menschensohn aus?
Als seine Begleiter merkten, was bevorstand, fragten sie:
Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?
Und einer von ihnen schlug
auf den Diener des Hohepriesters ein
und hieb ihm das rechte Ohr ab.
Da sagte Jesus: Lasst es! Nicht weiter!
Und er berührte das Ohr und heilte den Mann.
Zu den Hohepriestern aber,
den Hauptleuten der Tempelwache
und den Ältesten, die vor ihm standen, sagte Jesus:
Wie gegen einen Räuber seid ihr
mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen.
Tag für Tag war ich bei euch im Tempel
und ihr habt nicht Hand an mich gelegt.
Aber das ist eure Stunde
und die Macht der Finsternis.
Darauf nahmen sie ihn fest,
führten ihn ab und brachten ihn
in das Haus des Hohepriesters.
Petrus folgte von Weitem.
STILLE
V: Wir halten jetzt 2-3 Minuten Stille und lassen die Ölbergszene auf uns wirken.
LIED | BLEIBET HIER UND WACHET MIT MIR – GL 286
BETRACHTUNG
Es ist fatal, das Zeichen der Vertrautheit, der Liebe, wird zum Bild des Verrats. Judas küsst den Meister, Jesus Christus, um ihn zu verraten. Jeder vertrauter mir Menschen sind, um so tiefer ist die Enttäuschung über einen Verrat.
Wie stelle ich mich der Gewalt, die mir begegnet. Wie schnell bin ich dabei dreinzuschlagen und zu zeigen, dass man nicht alles mit mir machen kann? Kann ich mit der Offenheit der Liebe den Menschen begegnen, die mir unrecht tun?
LESUNG 3 | DIE VERLEUGNUNG DES PETRUS (LK 22, 55-65)
Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet
und Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen.
Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen,
schaute ihn genau an und sagte:
Der war auch mit ihm zusammen.
Petrus aber leugnete es und sagte:
Frau, ich kenne ihn nicht.
Kurz danach sah ihn ein anderer und bemerkte:
Du gehörst auch zu ihnen.
Petrus aber sagte: Nein, Mensch, ich nicht!
Etwa eine Stunde später behauptete wieder einer:
Wahrhaftig, der war auch mit ihm zusammen;
er ist doch auch ein Galiläer.
Petrus aber erwiderte:
Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst.
Im gleichen Augenblick,
noch während er redete, krähte ein Hahn.
Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an.
Und Petrus erinnerte sich an das Wort,
das der Herr zu ihm gesagt hatte:
Ehe heute der Hahn kräht,
wirst du mich dreimal verleugnen.
Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
Die Männer, die Jesus bewachten,
trieben ihren Spott mit ihm.
Sie schlugen ihn, verhüllten ihm das Gesicht und fragten ihn:
Du bist doch ein Prophet, sag uns:
Wer hat dich geschlagen?
Und noch viele andere Lästerungen stießen sie gegen ihn aus.
STILLE
V: Wir halten jetzt 2-3 Minuten Stille und lassen die Ölbergszene auf uns wirken.
LIED | BLEIBET HIER UND WACHET MIT MIR – GL 286
BETRACHTUNG
Weil andere gerade Mächtiger erscheinen, lassen wir uns oft schnell in die Enge treiben, wollen uns irgendwie aus der Situation herausreden und verstricken uns dabei nicht selten immer tiefer.
Wie gehe ich damit um, wenn meine Überzeugung im Alltag nicht gefragt ist, ja vielleicht sogar abgelehnt oder lächerlich gemacht wird?
Wie gehe ich um mit der Erfahrung, dass Menschen ausgeliefert und verspottet, gedemütigt oder gemobbt werden? Stehe ich zu ihnen und begleite ich sie?
Gerade hier zeigt sich, wie realistisch und menschennah die Bibel ist. Da, wo sich alles zuspitzt auf das unausweichliche Schicksal Jesu hin zu seinem Tod am Kreuz, treten auch im engsten Kreis um Jesus die menschlichen Schattenseiten so deutlich zutage.
Und es hat sicherlich seinen ganz tiefen Sinn, dass sie uns überliefert und nicht retuschiert worden sind. Wie gern beschönigen wir doch die Schattenseiten des Alltags.
An zwei Gestalten wird das besonders deutlich: bei Judas und bei Petrus. Wir können biblische Gestalten und Figuren immer auch als Anteile in uns sehen. In dieser Nacht am Ölberg erleben wir bei ihnen Versagen, Verrat, Gewalttat, Verleugnung.
Beide waren leidenschaftliche Anhänger des Weges Jesu. Doch sie beide erfahren an diesem Abend eine Wahrheit über sich selbst, sie treffen auf ihren eigenen Schatten. Vielleicht stehen sie auch dafür, wohin unreflektierter Eifer uns Menschen führen kann und wozu wir dann fähig sind. Es geht in der biblischen Leidensgeschichte Jesu also um die Wahrheit, die gesamte, ganze Wahrheit über uns Menschen. Manchmal kann Selbsterkenntnis auch wirklich bitter sein, so wie wir es bei Petrus sehen, der bitter darüber weint, als er seine menschliche Schwäche erkennt. So schnell kann man selbst zum Verräter werden, wenn man versucht sich zu winden, nicht klar Stellung zu beziehen, die eigene Überzeugung aus Furcht vor Nachteilen zu verbergen.
FÜRBITTEN
Gottes Leidenschaft für das Leben zeigt sich in der liebevollen Hingabe Je-su für uns Menschen – in seiner Leidensgeschichte kommt er allen nahe, die leiden. So wollen wir am Ende dieser Gebetswache bitten, dass er uns in allen Situationen der Einsamkeit und des Leidens nahe bleibt.
- Guter Gott, wir bitten dich für alle Menschen,
deren natürliche Lebensgrundlagen
aufgrund klimatischer Veränderungen zunehmend verloren gehen. - Guter Gott, wir bitten dich für alle,
die sich vor der Zukunft fürchten,
weil sie ungewiss ist oder weil sie Schweres zu bewältigen haben. - Guter Gott, wir bitten dich für alle,
die Angst haben,
weil Krieg und Terror den Alltag zerstört,
weil sie dem sinnlosen Sterben täglich begegnen. - Guter Gott, wir bitten dich für alle,
die voller Schmerz sind,
weil sie einen lieben Angehörigen verloren haben. - Guter Gott, wir bitten dich für alle,
die sich dem Tod nahe wissen und voller Angst sind.
Sprechen wir nun gemeinsam das Gebet des Herrn, das alle Christinnen und Christen auf der Welt eint und unseren Glauben stärkt:
VATER UNSER
ABSCHLIEßENDE BETRACHTUNG
Das ist der große Trost des Gründonnerstages. Vom Abendmahl über die Ölbergszene bis zur Verhaftung Jesu zeigt es sich: Gott hat eine große Leidenschaft für uns Menschen – er liebt uns in all unserer Menschlichkeit, trotz unseres Versagens, trotz unserer Schuld.
Deshalb schaut er nicht einfach zu, wo Menschen leiden; er bleibt nicht einfach passiv, wenn die Menschen in die Irre gehen. Nein, in Jesus wirft er sich selbst mitten hinein ins Geschehen. Gott selber geht diesen menschlichen Weg bis ans Ende, um die Menschen, die er liebt, zu retten, zu befreien, zu erlösen.
Er gibt sich für uns hin, damit wir den Weg zum Leben wieder neu finden. Gott macht sich klein vor uns Menschen, weil er uns liebt. Darin besteht seine Größe. Das verdichtet sich an diesem Abend, in dieser Nacht vor dem Kreuzestod Jesu.
SEGEN | NACH IRISCHEN SEGENSWORTEN
Gott, sei über uns und segne uns,
sei unter uns und trage uns,
sei neben uns und stärke uns,
sei vor uns und führe uns.
Sei du die Freude, die uns belebt,
die Ruhe, die uns erfüllt,
das Vertrauen, das uns stärkt,
die Liebe, die uns begeistert,
der Mut, der uns beflügelt.
Hilf uns, mit der Kraft deines Geistes
schwierige Zeiten in unserem Leben
zu überstehen und zu bewältigen.
Darum bitten wir dich durch Christus, unsern Herrn.
So segne und stärke euch der dreieine Herr,
der + Vater und
der + Sohn und
der Heilige + Geist. AMEN.
Reinhard Röhrner